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Besser allein statt gemeinsam?

Autonomie VS Nähe in der Paartherapie und Eheberatung

In Österreich ist die Anzahl der Ein-Personen-Haushalte in den letzten 40 Jahren stark angestiegen. Lebte 1971 etwa jeder Vierte (25,6%) allein, war es 2011 bereits jeder Dritte (36,3%). In Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern gibt es mit 46,3 Prozent dabei sogar noch deutlich mehr Ein-Personen-Haushalte als im Schnitt.

Das geht mit einer Auflösung traditioneller Familienstrukturen einher, die Institution Familie wird mehr und mehr durch Partnerschaften auf Zeit ersetzt. Im gleichen Zuge geht der Trend hin zur Kleinfamilie, die durchschnittliche Kinderanzahl pro Familie ist seit 1971 von 1,99 Kindern auf 1,64 Kinder gesunken.

Paartherapie – haben wir das Zusammenleben verlernt?

Eine einfache Antwort gibt es auf diese Frage nicht, denn die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte brachten sowohl positive wie auch negative Auswirkungen für unser Miteinander mit sich. Positiv ist zweifellos die zunehmende Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Frau. Partnerschaft und Ehe als wirtschaftliche Absicherung verlor mit der höheren Erwerbstätigkeit von Frauen rapide an Bedeutung. Im gleichen Zuge sank die Bereitschaft in einer unglücklichen Partnerschaft auszuharren, die meisten Beziehungen werden heute auf Basis von Liebe (Verliebtheit) gegründet und auf Grund schwindender Gefühle auch wieder beendet. Sowohl Männer als auch im Besonderen Frauen sind also viel selbstbestimmter was ihre Partnerwahl anbelangt. Es geht aber nicht nur um die Frage, mit wem wir eine Beziehung eingehen wollen, sondern auch darum, in welchem Rahmen. Die Zunahme von Ein-Personen-Haushalten hängt also nicht zwangsläufig damit zusammen, dass wir das Zusammenleben verlernt haben, wir sind lediglich viel freier geworden, was die Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung anbelangt. Gerade auch in der Paartherapie und Eheberatung wurde deutlich, dass der Wert der Autonomie und das Bestreben, eine für beide Seiten gleichermaßen erfüllende Partnerschaft zu führen, an Bedeutung gewannen.

Häufig thematisierte Schattenseiten in der Paartherapie und Eheberatung

Jede positive Entwicklung hat aber auch ihre Schattenseiten. Wir sind zwar allgemein freier, unabhängiger und selbstbestimmter geworden – mit dem Wegbrechen von klassischen Strukturen (wie der Großfamilie) und der Veränderung von Geschlechtsrollen geht aber auch das damit verbundene Gefühl der Sicherheit verloren. Klar geordnete Systeme geben Halt und erleichtern die Orientierung. Die Vielschichtigkeit und Komplexität von Beziehung und Partnerschaft der heutigen Zeit führen dazu, dass sich manche Menschen überfordert und orientierungslos fühlen und sich ganz bewusst wieder klassischen Partnerschafts- und Familien-Formen zuwenden. In der Paartherapie und Eheberatung zeigt sich zudem, dass auch die Alltags-Bewältigung auf Grund von Mehrbelastungen zu einer immer größeren Herausforderung für Paare wird. Beziehung, Beruf und Kinder unter einen Hut zu bringen ist schwierig. Dass beide Partner berufstätig sind, wird dabei aber immer weniger zu einer selbstgewählten Option als zu einer finanziellen Notwendigkeit. Trotz aller Gleichberechtigungsbemühungen ist auch heute noch der Spagat zwischen Beruf und Familie für viele Frauen ungemein schwierig. Stress und zeitliche Knappheit belasten oft die Partnerschaft massiv, daher kann das Erarbeiten eines effizienten Zeitmanagements und einer optimalen work-life-balance auch ein wesentlicher Teil einer Paartherapie respektive Eheberatung sein.

Traumprinz/essin gesucht

Dass an einen potentiellen Partner höhere Anforderungen gestellt werden als vielleicht früher einmal, ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Aber die romantische Vorstellung eines Partners, der unser ideales Gegenstück darstellt und nahezu perfekte Eigenschaften aufweist, kann auch zu einem Hindernis werden. Welcher Mensch aus Fleisch und Blut kann diesen überhöhten Wunschvorstellungen schon gerecht werden? Zudem scheinen attraktive Optionen näher denn je. Dating-Plattformen und Apps wie Tinder suggerieren, dass der Traumpartner oder die nächste Liebesaffäre nur einige wenige Klicks entfernt sind. In dieser Welt, in der Selbstvermarktung an der Tagesordnung ist, entstehen unrealistische Erwartungen, die letztendlich nur in Enttäuschung enden können. Dabei geht auch das Verständnis verloren, dass eine Beziehung auch gepflegt werden muss und dass gewisse Entwicklungen, wie etwa das Nachlassen sexueller Begierde, kein Zeichen einer grundsätzlich schlechten Partnerschaft sein müssen. Eine Paartherapie und Eheberatung kann sehr dabei unterstützen, sich seiner eigenen Bedürfnisse und Erwartungen bewusst zu werden, wobei gerade auch der partnerschaftliche Austausch darüber im Mittelpunkt steht.

Autonomie VS Nähe in der Paartherapie und Eheberatung

Die veränderten Lebensformen prägen bereits sehr früh unsere Vorstellungen von Partnerschaft und Familie. Viele Kinder wachsen mit der Erfahrung auf, dass Vater und Mutter keinesfalls im selben Haushalt leben müssen und Partner wechseln können. Was für alle Beteiligten in manchen Fällen die bestmögliche Lösung sein mag, hat aber auch zur Konsequenz, dass Kinder und Jugendliche das Zusammenleben in einer dauerhaften Partnerschaft und in einem gemeinsamen Haushalt in dieser Form nicht mehr erleben. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf unsere Erwartungen und Vorstellungen hinsichtlich unserer eigenen Beziehungen. Bin ich überhaupt bereit Kompromisse einzugehen? Wie können wir gemeinsam den Alltag bewältigen, wie Konflikte lösen? Gerade für Menschen, die über längere Zeiträume alleine lebten und ein hohes Maß an Autonomie erlebten, kann die Beziehungsgestaltung zur Herausforderung werden, wenn das Zusammenleben mit einem Partner nun plötzlich funktionieren soll. In der Paartherapie und Eheberatung lernen Menschen dahingehend, wie das Spannungsfeld zwischen Autonomie und Nähe für die Beziehung positiv genutzt werden kann.

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